Weltweit treten Armut und Hunger überwiegend auf dem Land auf – also dort, wo Nahrungsmittel angebaut werden.
Was paradox klingt, ist auch in Guatemala bittere Realität und trifft v.a. auf die von mehrheitlich indigenen Bevölkerung bewohnten ländlichen Regionen zu. Fast die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren leidet in Guatemala unter chronischer Unter- oder Mangelernährung, mit fatalen Folgen für ihre Entwicklung und Gesundheit.
Kinder und Jugendliche aus kleinbäuerlichen Familien haben einen stark eingeschränkten Zugang zur weiterführenden Schulbildung und sehen oft keine Zukunft in ihren Heimatgemeinden, ein besseres Leben in den Städten findet jedoch kaum jemand. Und so treibt die Perspektivlosigkeit unzählige Heranwachsende in die Fänge krimineller Jugendbanden.
Auf einen Blick |
FNE ist unser Projektpartner seit 2004 |
Projekt: Ausbildung von Maya-Jugend-lichen zu Fachkräften für Ländliche Entwicklung |
Zielgruppe: Benachteiligte Maya-Jugendliche aus ländlichen Gemeinden |
Schülerzahl: 120 (2018) |
Gesamtförderung: 44.000 Euro (2018) |
Ziele: Zugang zur Sekundarschule stärken, Vermittlung von Knowhow für Ländliche Entwicklung, Förderung indigener Gemeinden, Kultur- und Menschenrechtsarbeit |
Elote ist der größte Förderer der Fachschule für Ländliche Entwicklung. Stipendien für 50 Schüler:innen werden durch Paten, die übrigen Ausbildungskosten von Projektpaten und Spendern finanziert.
Die „Stiftung Neue Hoffnung“ aus Rabinal ist eine gemeinnützige Organisation und vorrangig im Bildungs- und Gesundheitsbereich tätig.
Die im Jahr 2003 etablierte Fachschule für Ländliche Entwicklung ist das größte Projekt der FNE. Mit ihrer Arbeit fördert die FNE die nachhaltige Entwicklung der Mayagemeinden im Landkreis Rabinal, insbesondere derer, die unter der Repression und Gewalt der Militärdiktaturen gelitten haben. Die FNE ist seit 2004 Projektpartner von Elote.
Der Landkreis Rabinal und die gleichnamige Stadt liegen im Herzen Guatemalas (Department Baja Verapaz); hier leben rund 45.000 Menschen. Die große Mehrheit der Bevölkerung gehört der Ethnie Maya-Achí (80%) an, lebt in den ländlichen Gemeinden des Landkreises (75%) und betreibt traditionell Ackerbau. Rabinal gehört zu den ärmsten Kreisen des Landes: Drei von vier Menschen sind dort von extremer Armut betroffen.
Die indigenen Dorfgemeinschaften Rabinals waren zur Zeit des bewaffneten Konflikts Ziel zahlreicher Massaker. Rund ein Fünftel der damaligen Zivilbevölkerung kam dabei ums Leben. Bei den Massakern von Río Negro, der Heimatgemeinde des Stifters Jesús Tecú, erkennt der UN-Wahrheitsbericht Anzeichen eines Völkermords.
Insbesondere die Ermordung von Gemeindeführern, Maya-Hebammen und anderen zentralen Persönlichkeiten des indigenen Gemeinwesens zerstörte die sozialen Strukturen der Gemeinschaften, die negativen Folgen auf die Gemeindeorganisation sind noch heute offensichtlich.
Das Hauptprojekt der FNE ist die Fachschule für Ländliche Entwicklung. Das praxisorientierte Konzept des Schulinstituts kombiniert die im staatlichen Lehrplan festgeschriebenen
Unterrichtsinhalte mit Themen, die für die nachhaltige Entwicklung der Schüler:innen, ihrer Familien und ihrer Gemeinden unter den lokalen und kulturellen Rahmenbedingungen bedeutsam
sind.
Der Schwerpunkt in Theorie und Praxis liegt u.a. auf Ernährung und Landwirtschaft, Schaffung von Einkommensquellen in Produktion und Handel, Förderung der kulturellen Identität, des indigenen
Gemeinwesens und der Menschenrechte, der Deliktprävention und Gesundheitsvorsorge sowie der Bewältigung der gewaltreichen Vergangenheit.
Die Fachschule für Ländliche Entwicklung ist ein zweisprachiges Schulinstitut, unterrichtet wird in Maya-Achí, der Muttersprache der meisten Schüler*innen, und in der Amtssprache Spanisch.
Der rein auf Spanisch gehaltene Unterricht der übrigen staatlichen und privaten Sekundarschulen der Region stellt für indigene Schüler*innen eine hohe Zugangshürde dar, da sie oftmals des Spanischen beim Übertritt in die Sekundarstufe nur eingeschränkt mächtig sind.
Für indigene Bevölkerungsgruppen wird durch den bilingualen Unterricht der Zugang zur weiterführenden Schulbildung erleichtert und der Lernerfolg und die kulturelle Identität nachweislich gestärkt. Die FNE schließt mit diesem Angebot in Rabinal eine Lücke zugunsten benachteiligter Jugendlicher aus Maya-Familien.
Mit der Fachschulausbildung schafft die FNE den Schüler:nnen eine Zukunft in ihren Heimatgemeinden. Ziel ist es, dass die Absolvent:innen in ihre Gemeinde zurückkehren, eigenständig Projekte im Agrarsektor und dem Gemeinwesen initiieren und so zur Stärkung der Ernährungssicherheit und der Gemeindestrukturen in den indigenen Dorfgemeinschaften beitragen. Die extreme Armut und der Hunger sollen überwunden und ein menschenwürdiges Leben innerhalb der Gemeinschaft ermöglicht werden.
Die Fachschule deckt heute beide Stufen des guatemaltekischen Sekundarschulsystems ab. Der Betrieb der Básico-Stufe (Mittelstufe, 7.-9. Klasse) wurde im Jahr 2003, der der Diversificado-Stufe (Oberstufe, 10.-12. Klasse) im Jahr 2013 aufgenommen. Die jeweils eigenständigen Abschlüsse sind staatlich anerkannt. Absolvent:innen der Diversificado-Stufe erwerben die Allgemeine Hochschulreife und erhalten darüber hinaus ein Diplom als Förderer der Ländlichen Entwicklung und der Gemeindeorganisation.
Das aus dem Stiftungskapital erworbene Schulgelände liegt etwa fünf Kilometer außerhalb der Kreisstadt Rabinal. Mit tatkräftiger Unterstützung der lokalen Bevölkerung und internationaler Freiwilliger konnten bis heute acht Klassenräume errichtet werden. Zudem umfasst das Schulzentrum zwei einfache Schlafsäle für entlegen wohnende Schüler:innen, eine Schulbibliothek, einen Computerraum, ein Gesundheitszentrum, ein kulturelles Zentrum sowie einen Sport- und einen Zeremonienplatz.
Zum Schulgelände gehören rund 20 Hektar Agrarland und Wald. Die Äcker galten vor dem Erwerb durch die FNE als zu trocken und zu unfruchtbar, um sie für die Landwirtschaft zu nutzen. Heute blüht Hibiskus neben großgewachsenen Maispflanzen, eine Vielfalt an Gemüsesorten, Heilkräutern sowie Zierpflanzen.
Amaranth und Kaffee werden von den Schüler*innen im Projektunterricht angebaut, mit Hydrokulturen wird experimentiert, Hühner gezüchtet und einige Rinder und Schweine gehalten. Die Gewinne aus
der kürzlich etablierten Baumschule für Kaffeesträucher fließen in die Ausbildung zurück.
In der Ausbildung kombiniert die FNE traditionelle Anbauformen, die als Grundvoraussetzung für die Entstehung der Mayazivilisation als frühe Hochkultur gelten, mit modernen Formen der Landwirtschaft. Der praktische Teil des durch einen ausgebildeten Agraringenieurs unterstützten Unterrichts zielt auch auf die Anpassung an den Klimawandel. Neben den Schüler:innen profitieren ganze Gemeinden direkt von der Ausbildung, etwa durch Wiederaufforstungsprojekte oder die Anlage von Obst- und Gemüsegärten in einigen Gemeinden durch die Schüler:innen der Oberstufe.
Die von der FNE angewandte Unterrichtsform ist in Lateinamerika als SAT-Methode (Sistema de Apredizaje Tutorial) bekannt. Die aus Kolumbien stammende Methode wurde für strukturschwache ländliche Regionen entwickelt und wird dort seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt. SAT integriert berufliche Bildung sowie die Förderung des Gemeinwesens und der Gemeindorganisation in eine Sekundarschulausbildung benachteiligter Kinder und Jugendlicher. Wesentlicher Bestandteil des Ausbildungskonzept sind entwicklungsfördernde und einkommensschaffende Projekte. Die FNE war eine der ersten Organisationen in Guatemala, die die Methode anwendete und dem lokalen Kontext anpasste.
Im Mittelpunkt des Unterrichts stehen die Schüler selbst, die mit Hilfe eigens für die Ausbildung erstellter Arbeitsbücher den Unterrichtsstoff in Kleingruppen („runde Tische“) selbst
erarbeiten, in einen Dialog mit den anderen Schülern treten, so das Diskutieren und Argumentieren erlernen und Aufgabenstellungen gemeinsam lösen.
Projekte werden zusammen geplant und nach der Durchführung am runden Tisch ausgewertet. Der Lehrer begleitet die Schüler:innen dabei als Tutor, ohne die Kreativität und das gegenseitige Lernen
der Schüler zu behindern.
SAT ist ein partizipativer, demokratischer Ansatz, für die Weiterentwicklung des Lehrplans und der Arbeitsbücher und andere grundlegende Entscheidungen rund um die Fachschule für Ländliche
Entwicklung werden auch die Schüler:innen und deren Eltern miteinbezogen. Aus Angehörigen einer seit Jahrhunderten unterdrückten Bevölkerungsgruppe werden so selbstbewusste Fachkräfte, die
sich nicht scheuen öffentlich ihre Rechte einzufordern.
Neben der Fachschule unterhält die FNE ein Gesund-heitszentrum für Bewohner der Region und ein Stipendienprogramm für sozial benachteiligte Studierende aus der Region um Rabinal.
In einen Interview berichtet Jesús Tecú (JT) über seinen Einsatz für mehr Gerechtigkeit in Guatemala.
Was bedeutet das Wort „Heimat“ für Sie?
JT: Heimat ist unser Land und unsere Geschichte. Aber es sind auch unsere lieben Vorfahren, die uns bis ins Hier und Jetzt begleitet haben.
Wovor haben Sie Angst?
JT: In unserem Land herrscht immer noch Straffreiheit. Unser Staat garantiert keine Lebensgrundlage und wenn ein Mord passiert, schieben es die Behörden auf die allgemeine Kriminalität...
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Alexander Fischer steht Ihnen gerne zur Verfügung: mail@elote.de
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